Der Text ist fertig und muss nur noch schnell überarbeitet werden. Diesen Gedanken kennen Sie vermutlich und ebenso sicher haben Sie es schon erlebt, dass das Überarbeiten mehr Zeit in Anspruch nimmt als erwartet bzw. eingeplant. Als Faustformel gilt: Das Schreiben des Rohtextes und das Überarbeiten dauern in etwa gleich lange. Aber wie geht man es richtig an?
So geht es nicht
Aus der Schule sind wir gewohnt nach Fehlern zu suchen, etwa auf korrekte Rechtschreibung, Zeichensetzung und Grammatik zu achten. Also stürzen wir uns gleich als erstes aufs Korrigieren, sobald wir unseren Textentwurf fertig haben. Doch so halsen wir uns doppelte Arbeit auf. Denn nach dem ersten Textentwurf ist noch nicht einmal klar, ob es ein Satz, den ich gerade mit Argusaugen betrachte, überhaupt in die Letztversion des Textes schafft. Vielleicht schreiben Sie ihn noch um oder streichen ihn gar. Daher: Korrigiert wird zuletzt.
Ein zweiter gern begangener Fehler: Korrekturen werden gemeinsam mit der inhaltlichen Überarbeitung erledigt. Das Problem: Vermischt man diese zwei Bereiche, reißt man sich immer selbst aus den Gedanken. Schreibt man „bloß“ oder „bloss“, gehört hier „seit“ oder „seid“, ist „den“ oder „dem“ richtig? Und schon ist der Gedankenfluss unterbrochen und die Textqualität leidet. Daher: Überarbeiten und Korrigieren sind zwei getrennte Arbeitsschritte.
Aus der Vogelperspektive hineinzoomen
Wie komme ich also von meinem Entwurf zum fertigen Text, der sich noch dazu flüssig liest? Am effektivsten und sinnvollsten ist es, wenn Sie sich bei Ihrem Text sozusagen von außen nach innen vorarbeiten. Also wenn Sie erst auf Struktur und Inhalt achten, dann weiter hineinzoomen und Stil, Satzbau und Wortwahl unter die Lupe nehmen. Zuletzt landen Sie bei der Wortebene und werfen einen Blick auf Rechtschreibung, Zeichensetzung und Grammatik.
Struktur und Inhalt
Im ersten Schritt richten Sie den Blick darauf, ob der Text formal richtig ist. Sieht Ihr Artikel aus wie ein Artikel? Ist das Sponsorenanschreiben so gegliedert, wie es sein soll? Dann prüfen Sie, ob Ihr Text gut strukturiert ist. Vielleicht fehlen noch Übergänge, ein knackiger Abschluss oder Zwischenüberschriften.
Sie achten darauf, ob die Kernaussagen klar formuliert sind und ob es Widersprüche im Text gibt, die aufgelöst gehören. Sie fragen sich: Wo helfen Beispiele oder Vergleiche beim Verständnis? Wo können Sie den Text straffen bzw. müssen Sie noch etwas ergänzen?
All diesen Punkten sollte Ihr erster, konzentrierter Blick gelten. Erst wenn Sie diese Änderungen vorgenommen haben – wenn also alle Textteile vorhanden und an der richtigen Stelle platziert sind – geht es an die sprachliche Überarbeitung.
„One of the best-kept writing secrets around is that the more you revise, the clearer, more fluid, and more natural your writing will be. It’s not inspiration but hard work that produces simple, elegant writing.” (Joan Bolker)
Stil, Satzbau und Wortwahl
Die wichtigste Frage, die Sie sich nun vorweg stellen sollten: Passen meine Wortwahl und der Stil zur Textsorte, zu meiner Zielgruppe und den Zielen, die ich mit diesem Text verfolge. Ein Blog-Artikel darf schon mal locker-flockig daherkommen, beim Anschreiben an einen weitgehend unbekannten potentiellen Sponsor passt der Stil vermutlich weniger.
Dann wenden Sie sich der Satzebene zu: Finden sich passive Sätze, die aktiv attraktiver klingen? Gibt es überlange Sätze, die Sie teilen können? Eine Faustformel besagt: Maximal 25 Wörter je Satz und nicht mehr als ein Nebensatz. Scheuen Sie sich nicht vor kurzen Sätzen, sie machen Ihren Text leicht lesbar. Am besten wechseln sich kürzere und längere Sätze ab.
Anschließend zoomen Sie noch weiter hinein auf die Wortebene: Haben sich beim Schreiben Füllwörter eingeschlichen (das ist ganz normal), die Ihre Aussage verwaschen? Dann raus damit. Dasselbe gilt für nichtssagende Eigenschaftswörter. Vermutlich reicht es z.B., wenn Sie von „Dokumente“ sprechen. Sie brauchen nicht „relevante Dokumente“ schreiben, warum sonst sollten Sie diese denn mitschicken.
Vielleicht können Sie Sätze mit sperrigen Hauptwörtern – sie enden auf -ung, -heit, -keit, -ismus – umformulieren, z.B. „sich erinnern“ statt „Erinnerung“, „ist belastbar“ statt „zeugt von Belastbarkeit“, „unterstützen“ statt „Unterstützung“. Ihr Text wird automatisch persönlicher und wirkt weniger gespreizt.
Gibt es inhaltsleere Zeitwörter wie „erfolgen“, „bestehen“ oder sich „erweisen“? Vielleicht können Sie auch diese Sätze umformulieren. Denn Texte gewinnen durch lebendige, aussagekräftige Zeitwörter.
Nun sind Sie mit dem Überarbeiten fertig und können sich der Rechtschreibung, Zeichensetzung und Grammatik zuwenden: Zu guter Letzt lesen Sie Ihren Text nach Fehlern durch. Verlassen Sie sich beim Korrigieren nicht ausschließlich auf die Rechtschreib- und Grammatikprüfung von Word, sondern prüfen Sie jedes Wort, jede Wortfolge, jeden Beistrich für sich. Das Programm findet nämlich nicht alle Fehler. Ich tippe zum Beispiel oft „Wein“ statt „Wien“ – ich tue also gut daran, meine Wien-Texte genau zu lesen. Wenn Sie bei der Schreibung eines Wortes unsicher sind, schlagen Sie auf www.duden.de nach.
Sie ahnen es vermutlich schon, noch eher wissen Sie es bereits aus der Praxis. Überarbeiten braucht Zeit und meist ist es mit einem Durchgang nicht getan.
Generell gilt: Man entwickelt eine gewisse Betriebsblindheit für den eigenen Text. Daher ist es gut, ihn beim Überarbeiten auch einmal aus der Hand zu geben. Holen Sie sich Feedback ein, ob Ihr Text verständlich und „gut“, also für Ihr Ziel und die Zielgruppe angemessen ist. Übrigens, auf Ausdrucken überarbeitet man besser als am Bildschirm und wenn man die Schriftart wechselt, entdeckt man auch den einen oder anderen Fehler. Und jetzt ran an den Text, ran ans Überarbeiten.
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