Nein, ich beginne diesen Artikel nicht mit dem ewig strapazierten Bild der Höhlenmenschen, die Geschichten erzählend ums Lagerfeuer sitzen, und mit der Schlussfolgerung, dass Storytelling somit in der menschlichen DNA verankert sei. Obwohl, der zweiten Aussage kann ich etwas abgewinnen.
Menschen verdauen nicht so gerne pure Fakten wie sie Geschichten lauschen (deswegen hattet Ihr vor Eurem geistigen Auge vermutlich Höhlenmenschen sitzen). Nicht umsonst lesen nur wenige zum Zeitvertreib Finanzberichte, viele hingegen packende Romane. Dieses Wissen hat sich die Werbung schon lange zunutze gemacht und ist weg von faktengetriebenen, hin zu emotionsgeladenen Spots gegangen. Seit einigen Jahren setzen auch andere Kommunikationsdisziplinen wie PR und Marketing vermehrt auf Storytelling.
Warum also Geschichten?
Wir behalten Geschichten besser in Erinnerung als reine Fakten, weil die bildhafte Sprache die Sinneswahrnehmung anregt und weil sie mit Emotionen aufgeladen sind. Eine gute Story setzt das Kopfkino in Gang, es baut detaillierte Szenerien auf und skizziert nicht nur ein eindimensionales Schwarz-Weiß-Bild. Vielleicht ist sie sogar so ausgestaltet, dass wir uns mit handelnden Personen identifizieren.
Umgelegt auf Storytelling im Business heißt es, dass Werte vermittelt werden können, dass im Idealfall sogar ein Funke entzündet wird. Damit das erreicht werden kann, müssen ein paar Überlegungen angestellt werden.
Wem erzähle ich meine Geschichte?
Ein Produkt, eine Dienstleistung, ein Unternehmenswert kann auf vielerlei Arten in eine Geschichte verpackt werden. Damit ich aber weiß, welchen Aspekt ich hervorheben und wie ich meine Story so beginne, dass sie auch weitergelesen (-gehört, -geschaut) wird, sollte ich mir im Klaren sein, für und mit wem ich kommuniziere. Welche Ängste, Sorgen, Bedürfnisse hat meine Zielgruppe? Was bewegt und motiviert sie? Denn es gilt: Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler.
Was gehört beim Storytelling dazu?
Habe ich erst mal meine Zielgruppe klar erfasst, geht es ans Geschichte finden. Das klassische Storytelling orientiert sich an der Heldenreise. Um sie hier nicht in aller Tiefe auszubreiten (immerhin hat sie drei Phasen mit 17 Schritten), fasse ich sie grob zusammen: Es braucht eine*n Held*in, eine Reise mit Tests, zumindest eine*n Gegner*in, zumindest eine*n Mentor*in und zu guter Letzt eine Lösung.
Nun hat nicht jedes Unternehmen Held*innen aufzubieten oder eine Reise mit Tests. Legen wir es also um: Im Storytelling braucht man zumindest eine Hauptfigur (mit Identifikationspotential für die Zielgruppe), ein Problem (bringt den Spannungsbogen und setzt Emotionen frei), eine*n Helfende*n (kann auch ein Produkt sein) und eine Lösung (mit abschließender Botschaft).
Ein Beispiel gefällig?
Ich biete Schreibtrainings im beruflichen Kontext an. Nun möchte ich potenzielle Neukund*innen anschreiben. Ich könnte dafür die Punkte anführen, die für ein Schreibtraining sprechen und so stärker auf der rationalen Ebene bleiben. Oder aber ich verpacke mein Angebot in eine Geschichte. Ich könnte von einem Kunden (Hauptfigur/Held) erzählen, der damit zu kämpfen hatte, dass seine Texte nicht verstanden werden (Problem) und dann anführen, wie ich (Mentorin) ihm geholfen habe (Lösung). Und schon habe ich Storytelling angewandt und im Idealfall beim Gegenüber Interesse geweckt, weil er/sie das Problem aus dem Arbeitsalltag kennt und sich mit meinem Kunden identifiziert.
Wo kann ich Storytelling anwenden?
Storytelling lässt sich in jeder Kommunikationsdisziplin anwenden. Werbung, Fundraising, Social Media arbeiten damit. Aber auch in der Pressearbeit, in (Produkt-)Foldern und Broschüren kann es Einsatz finden. Die Story darf nur nicht an den Haaren herbeigezogen sein, sonst wirkt sie unglaubwürdig. Storytelling um der Storytelling Willen berührt niemanden.
P.S.: Manchmal reicht schon ein einzelnes Bild, um eine ganze Geschichte zu erzählen. Oder habt Ihr auch nur eine Sekunde daran gezweifelt, dass ich es war, die beim Memory gewonnen und sich darüber gefreut hat?
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